Bekleidung und Textilien
Soziale und ökologische Risiken in der Lieferkette von Bekleidung und Textilien
Das Wichtigste in Kürze
Was Sie bei der Beschaffung von Bekleidung und Textilien beachten sollten
Die öffentliche Verwaltung hat einen hohen Anteil am Einkauf von Textilen und Bekleidung – von funktioneller und repräsentativer Arbeitsbekleidung bis zu Schutzbekleidung. Deutsche Berufsbekleidungsunternehmen machten im Jahr 2019 insgesamt 650 Millionen Euro Umsatz (Statista 2020).
Die globalen Lieferketten der Textilwirtschaft sind besonders komplex. Millionen von Menschen sind in verschiedenen Ländern in die Produktion eingebunden und es kommt häufig zu Verstößen gegen grundlegende Menschenrechts- und Umweltstandards. Um diese Missstände zu verhindern ist es wichtig, die enorme Marktmacht der öffentlichen Hand zu nutzen und auf möglichst allen Ebenen Nachweise zur Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien zu fordern.
Es gibt für Textilien und Bekleidung eine Vielzahl an Nachweisen, die die unterschiedlichsten Anforderungen (ökologisch und/oder sozial) auf verschiedenen Ebenen der Produktionskette haben. Einige konzentrieren sich auf den Rohstoff, andere auf die Konfektion, einige decken alle Stufen ab. Mehr Informationen finden Sie hier.
Erfahren Sie mehr über die sozialen und ökologischen Risiken bei der Produktion von Bekleidung und Textilien. Durch einen bewussten Einkauf können Sie nachhaltigere Produktionsprozesse unterstützen.
Weiterführende Informationen
Allgemeine Hinweise zur Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien in den Beschaffungsprozess finden Sie hier.
Ein Online-Tool zur Prüfung menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette vom „Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte“ finden Sie hier.
Kommunale Praxisbeispiele zur Beschaffung von Bekleidung und Textilien finden Sie hier.
Weiterführende Informationen zu Bekleidung und Textilien:
- Femnet e.V. (2020): Unter der Lupe. Arbeitskleidung und Schuhe mit belastbaren Nachweisen fair beschaffen
- Femnet e.V. (2020): Ein Überblick zu Standards, Siegeln und Multistakeholderinitiativen in der Textilindustrie
- Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (2020): Soziale und ökologische Herausforderungen der globalen Textilwirtschaft
- Südwind (2019): Machbarkeitsstudie zur nachhaltigen Beschaffung von Textilien in der Diakonie
- Romero Initiative (2019): Firmenprofile 2018: Vierte Unternehmensbefragung zu Sozialstandards in der Berufsbekleidungsindustrie
Die Risiken in der Lieferkette von Bekleidung und Textilien im Detail
Lieferkette im Detail
Klicken Sie auf einzelne Schritte in der Infografik links, um mehr über die ökologischen und sozialen Risiken bei der Beschaffung von Bekleidung & Textilien zu erfahren.
01 Rohfasergewinnung
Die Herstellung von Textilien beginnt mit der Gewinnung von Rohfasern. Mit 64 % sind Kunstfasern der wichtigste Rohstoff der globalen Textilindustrie. Der Baumwollanteil liegt bei 24 %. Bei der Herstellung von Natur- wie Kunstfasern kommt es zu ökologischen und sozialen Risiken.
Ökologische Risiken bei der Herstellung von Naturfasern (z.B. beim Anbau von Baumwolle)
- Massiver Einsatz von chemischen Pestiziden und Düngemitteln (führt u.a. zu Kontaminierung von Gewässern)
- Flächenverbrauch
- Bodendegradation durch bspw. Monokulturen (führt u.a. zu Erosionen, Versalzung der Böden, Verlust von Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität)
- Einsatz von genmanipuliertem Saatgut
- hoher Wasserverbrauch (führt u.a. zu Wasserknappheit) und Energieverbrauch/CO2-Emissionen
Soziale Risiken bei der Herstellung von Naturfasern (in den Anbaubetrieben)
- keine existenzsichernden Löhne
- fehlende soziale Sicherheit und unregelmäßige Einkommen aufgrund schwankender Weltmarkpreise
- unzureichender Schutz der Arbeitenden vor gesundheitsschädigenden Pestiziden (z.B. fehlender Atemschutz)
- gesundheitliche Schäden durch fehlende Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Maschinenweite Verbreitung von Kinder- und Zwangsarbeit
- unverhältnismäßige und oft unbezahlte Überstunden
- Geschlechtsspezifische Diskriminierung/Gewalt
- Korruption und schwache Rechtsstellung der Arbeitenden
Ökologische Risiken bei der Herstellung von Kunstfasern
- Einsatz von Chemikalien (Verseuchung von Wasser, gefährliche Abfälle und Luftverschmutzung
- Verbrauch von Rohöl (fossiler Rohstoff)
- hoher Energiebedarf/CO2-Emmissionen
Soziale Risiken bei der Herstellung von Kunstfasern
- keine existenzsichernden Löhne
- unzureichender Schutz der Arbeitenden vor gesundheitsschädigenden Chemikalien
- unverhältnismäßige Überstunden
- Geschlechtsspezifische Diskriminierung
Weiterführende Informationen:
- Südwind (2015): Harte Arbeit für weiche Fasern – Arbeitsrechtsverletzungen in indischen Entkernungsfabriken. Factsheet zu den sozialen Risiken im Baumwollanbau
02 Textilfertigung
In der Produktion von Textilien werden aus Rohfasern Garne gesponnen und zu Stoffen verwoben. Daraus ergeben sich u.a. folgende ökologische und soziale Risiken:
Ökologische Risiken
- hoher und oft unsachgemäßer Einsatz von Chemikalien (nicht vorhandene Umweltregularien bzw. mangelnde Kontrolle)
- Wassermanagement (warme Abwässer stören ökologisches Gleichgewicht, Chemikalien verseuchen Gewässer)
- hoher Energiebedarf/CO2-Emissionen
Soziale Risiken
- keine existenzsichernden Löhne
- gesundheitliche Schäden durch fehlende Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Chemikalien und Maschinen
- Kinder- und Zwangsarbeit
- unverhältnismäßige und oft unbezahlte Überstunden
- Geschlechtsspezifische Diskriminierung/Gewalt
- Missachtung der Vereinigungsfreiheit
- Korruption und schwache Rechtsstellung der Arbeitenden
- Gesundheitsschäden der lokalen Bevölkerung durch Ableitung von kontaminierten Abwässern
03 Konfektionierung – Cut, Make, Trim
Nach Produktion der Stoffe werden die Textilien zugeschnitten, genäht und veredelt. Bei diesen Schritten der Verarbeitung können u.a. folgende ökologische und soziale Risiken entstehen:
Ökologische Risiken
- Einsatz toxischer Farbstoffe und Chemikalien für spezielle Textileigenschaften (z.B. zur Imprägnierung)
- Wassermanagement (hoher Wasserverbrauch und toxisches Abwasser)
- hoher Energiebedarf/hohe CO2-Emmissionen durch fossile Brennstoffe
- Freisetzung von Mikroplastik
Soziale Risiken
- keine existenzsichernden Löhne
- unzureichende Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Chemikalien und Maschinen
- Kinder- und Zwangsarbeit
- Korruption und schwache Rechtsstellung der Arbeitenden
- unverhältnismäßige und oft unbezahlte Überstunden
- Geschlechtsspezifische Diskriminierung/Gewalt
- Missachtung der Vereinigungsfreiheit
- Fehlende oder kurz befristete Arbeitsverträge
- Gesundheitsschäden durch unsichere Arbeitsbedingungen (z.B. mangelnde Beleuchtung und Belüftung in Produktionsräumen, teilweise mangelnde Gebäudesicherheit)
- Gesundheitsschäden der lokalen Bevölkerung durch Ableitung von kontaminierten Abwässern
04 Nutzung
Auch die Nutzung von Textilien durch den Konsumenten ist nicht frei von ökologischen und sozialen Risiken:
Ökologische Risiken
- übermäßiger Einsatz von umweltschädlichen Reinigungs- und Waschmitteln
- hoher Wasser- und Energieverbrauch bei der Reinigung
- Freisetzung von Mikroplastik in die Gewässer
Soziales Risiko
- Gesundheitsgefährdung durch Ausdünstungen und Kontakt mit chemischen Rückständen in Textilien
05 Entsorgung
Bisher wird nur 1 % aller Textilien recycelt, weil Technologien fehlen, um die Mischgewebe zu trennen und Chemikalien bzw. Farben zu lösen. Die Entsorgung von Textilien auf Deponien oder durch Verbrennung verursacht ökologische Risiken, entstehen:
Ökologische Risiken
- Freisetzung von Schwermetallen, Mikroplastik und anderen Schadstoffe an Boden und Grundwasser durch die Entsorgung von synthetischen Fasern auf Deponien
- Luftverschmutzung durch Verbrennung
- Verlust von Rohstoffen
Soziales Risiko
- Altkleider-Exporte bspw. nach Afrika schaffen Abhängigkeiten von Importen und verhindert die Neu-Entwicklung einer einheimische Textilproduktion
06 Transport
Baumwollanbau in den USA, Stoffherstellung in Indien und Konfektion in Tunesien: Bevor Berufsbekleidung in Deutschland verkauft wird, legt sie einen langen Transportweg zurück. Treibstoffverbrauch und Abgase sorgen für Umwelt- und Klimabelastungen, die auch für die Gesundheit des Menschen schädlich sind – machen allerdings nur 2% des gesamten Energieverbrauchs der textilen Lieferkette aus. Für den Transport mit schweren Nutzfahrzeugen wie Lkw gilt die Abgasnorm Euro VI, die von Beschaffern für den Transport verlangt werden sollte.
Darüber hinaus ist dieser Schritt der Lieferkette durch ein hohes Abfallaufkommen gekennzeichnet, das durch Verpackungen, Etiketten und Kleiderbügel sowie die Vernichtung nicht verkaufter Produkte verursacht wird.
Teilweise werden Textilien für den Transport mit Chemikalien gegen Schimmelpilze und Konservierungsstoffe behandelt.