Kompass Nachhaltigkeit

Öffentliche Beschaffung

Mobiltelefone

Soziale und ökologische Risiken in der Lieferkette von Mobiltelefonen

Was Sie bei der Beschaffung von Mobiltelefonen beachten sollten

Mehr als 20 Millionen Smartphones werden in Deutschland verkauft – und das jedes Jahr. Zu den Käufern gehören auch Kommunen: Sie beschaffen Mobiltelefone für ihre Angestellten. Zugleich bieten Städte und Gemeinden über kommunale Sammelstellen die Möglichkeit zur Abgabe von Elektronikgeräten. Nichtsdestotrotz bleiben in den Haushalten hierzulande rund 200 Millionen Mobiltelefone ungenutzt zurück.

Dabei stecken in den Geräten zahlreiche Rohstoffe, dessen Wiederverwertung zu einer Reduktion des globalen Rohstoffabbaus und somit zum Schutz der Umwelt beitragen könnte. Außerdem kommt es in Zusammenhang mit dem Abbau immer wieder zu Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten. Dies gilt auch für die Produktion von Mobiltelefonen in weitverzweigten Lieferketten. Deshalb gilt vor allem: Je weniger Mobiltelefone neu angeschafft werden, desto besser. Darüber hinaus ist es wichtig, die Nutzung in Hinblick auf Energieeffizienz zu optimieren.

Die öffentliche Beschaffung kann wichtige Anreize für eine nachhaltigere Produktion setzen und zugleich Vorreiterrolle spielen für die langjährige Nutzung, Reparatur, Sammlung und Recycling von Mobiltelefonen.

Weiterführende Informationen

Allgemeine Hinweise zur Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien in den Beschaffungsprozess finden Sie hier.

Ein Online-Tool zur Prüfung menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette vom „Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte“ finden Sie hier.

Kommunale Praxisbeispiele zur Beschaffung von Mobiltelefonen finden Sie hier.

Weiterführende Infos dazu finden Sie hier:

 

Tipp: die Produktgruppe Computer / IT-Hardware hat vergleichbare Risiken, hierzu ist ein Video im Kompass verfügbar, das Sie sich auch für Mobiltelefone ansehen können.

Die Lieferkette von Mobiltelefonen im Detail

Lieferkette im Detail

Klicken Sie auf einzelne Schritte in der Infografik links, um mehr über die ökologischen und sozialen Risiken bei der Beschaffung von Mobiltelefonen zu erfahren.

01 Rohstoffgewinnung

Für die Produktion eines Mobiltelefons werden mehr als 60 verschiedene Rohstoffe benötigt. Hinter Gehäusen aus Kunststoffen, Glas und Keramik sowie Displays aus Aluminium und Indium verbergen sich zahlreiche weitere Metalle: Dazu gehören etwa Gold, Kobalt und Lithium für die Akkus, Gallium für die Kamera und Coltan für Kondensatoren. Die Gewinnung dieser und anderer Rohstoffe ist mit zahlreichen ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Risiken verbunden. Beispiele hierfür können sein:

Ökologische Risiken

  • Abfall, Gift- und Reststoffe, die Luft, Böden und Wasser verschmutzen
  • Austreten von radioaktiven Substanzen beim Abbau Seltener Erden
  • Emissionen von Treibhausgasen sowie Schwefeldioxid
  • Hoher Energieverbrauch
  • Hoher Wasserverbrauch
  • Risiko von Damm- oder Deichbrüchen, so dass verschmutzte Schlämme aus dem Rohstoffabbau das Umland überschwemmen
  • Flächenverlust, zunehmende Entwaldung und Sprengung von Bergen
  • Negative Auswirkungen auf Biodiversität

Soziale Risiken

  • Finanzierung von Konflikten/bewaffneten Gruppen durch den Abbau von und Handel mit Rohstoffen („Konfliktmineralien“)
  • Vertreibung von Menschen von ihren Wohn-, Acker- und Viehflächen
  • Lärm und Vibration durch Betrieb der industriellen Anlagen sowie Aufwirbeln von Staub durch intensiven Lkw-Verkehr
  • Korruption und Steuerhinterziehung
  • Gewaltsame Unterdrückung von Protesten
  • Menschenhandel, Zwangsarbeit und Kinderarbeit
  • Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und des Rechts auf kollektive Tarifverhandlung
  • Mangelnder Arbeitsschutz und zu niedrige Sicherheitsstandards

Weiterführende Literatur:

AK Rohstoffe (2020): 12 Argumente für eine Rohstoffwende

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe / Deutsche Rohstoffagentur (2020): Metalle in Smartphones

Greenpeace (2017): 10 Jahre Smartphone. Die globalen Umweltfolgen von 7 Milliarden Mobiltelefonen

PowerShift (2017): Ressourcenfluch 4.0: Die sozialen und ökologischen Auswirkungen von Industrie 4.0 auf den Rohstoffsektor

02 Weiterverarbeitung

Aus Erzen werden Metalle, aus Erdöl wird Kunststoff: Im zweiten Schritt der Wertschöpfungskette werden die Rohstoffe weiterverarbeitet. Aus Metallen, Kunststoffen und anderen Bestandteilen werden schließlich die so genannten „Zwischenprodukte“ und „Halbfertigwaren“ gefertigt. Dazu gehören Kabel ebenso wie Leiterplatten oder Prozessoren. Bei vielen Prozessschritten werden gesundheitsgefährdende Stoffe eingesetzt, etwa Schwermetalle wie Kadmium und Blei oder krebserregende Lösungsmittel wie Benzol, dessen industrielle Anwendung in der EU längst verboten ist. Insbesondere in der Halbleiterindustrie finden zwischen 500 und 1.000 unterschiedliche Chemikalien Anwendung, von denen zahlreiche sehr gesundheitsschädlich sind.

Auch die Weiterverarbeitung geht häufig mit ökologischen und sozialen Risiken einher. Beispiele hierfür können sein:

Ökologische Risiken

  • Abfall, Gift- und Reststoffe, die Luft, Böden und Wasser verschmutzen
  • Emissionen von Treibhausgasen sowie Schwefeldioxid
  • Hoher Energieverbrauch
  • Hoher Wasserverbrauch

Soziale Risiken

  • Vertreibung von Menschen von ihren Wohn-, Acker- und Viehflächen
  • Lärm und Vibration durch Betrieb der industriellen Anlagen sowie Aufwirbeln von Staub durch intensiven Lkw-Verkehr
  • Korruption sowie Steuerhinterziehung
  • Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und des Rechts auf kollektive Tarifverhandlung
  • Zu niedrige Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter
  • Mangelnder Arbeitsschutz und zu niedrige Sicherheitsstandards
  • Negative gesundheitliche Folgen durch Einsatz von Schadstoffen

Weiterführende Literatur:

Electronics Watch (2014): Winds of Change. Das Potenzial der öffentlichen Beschaffung, die Arbeitsbedingungen in der IKT-Industrie zu verbessern

Heinrich-Böll-Stiftung (2019): Plastikatlas

03 Endfertigung

Die Hersteller von Mobiltelefonen profitieren von der Auslagerung der Produktion. Gemäß der Logik des „Wettlaufs nach unten“ wird häufig dort produziert, wo die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind. Während die Konzerne in den Industriestaaten den überwältigenden Anteil der Profite kassieren, lassen sie die Mobiltelefone vor allem in ostasiatischen und südostasiatischen Fabriken zusammenschrauben. Die Produktion von Mobiltelefonen gehört zu jenen Industriebranchen, die sich durch äußerst prekäre Beschäftigungsverhältnisse auszeichnen. So genannte „flexible Produktionsanforderungen“ sind Teil eines Geschäftsmodells, das zur Missachtung von ohnehin schon geringen ökologischen und sozialen Auflagen beiträgt. Beispielsweise kann der Einsatz von Chemikalien wie N-Hexan, das zur Reinigung von Glasbildschirmen verwendet wird, bei mangelnder Arbeitsschutzkleidung zur chronischen Schädigung des Zentralnervensystems von Arbeiterinnen und Arbeitern und entsprechend schwerwiegenden Erkrankungen führen.

Beispiele für die negativen Folgen können sein:

Ökologische Risiken

  • Hoher Energieverbrauch
  • Hoher Materialverbrauch
  • Hoher Wasser- und Landverbrauch
  • Unzulängliche Reinigung des Abwassers
  • Entstehen von gefährlichen sowie nicht-gefährlichen Abfällen
  • Gift- und Reststoffe sowie Partikel- und Staubbildung, die Luft, Böden und Wasser verschmutzen

Soziale Risiken

  • Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und des Rechts auf kollektive Tarifverhandlung
  • Zu niedrige Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter; Kurzzeitverträge; Leiharbeit; mangelnder Urlaubsanspruch; überlange Arbeitszeiten (bis zu 80h/Woche); unbezahlte Überstunden
  • Kinder- und Zwangsarbeit sowie „Schuldsklaverei“ von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern
  • mangelnde Sicherheitsstandards
  • Gesundheitsschäden durch mangelnde Beleuchtung und Belüftung oder fehlende Ventilation in Produktionsräumen
  • Gesundheitsschäden durch Kontakt mit giftigen Chemikalien
  • Erschöpfungszustände und Überbeanspruchung durch monotone Fließbandarbeit in fixierter Körperhaltung
  • Inkonsequente oder vom Unternehmen aktiv behinderte Überprüfung („Monitoring“) der ökologischen und sozialen Standards

Weiterführende Literatur:

Electronics Watch (2021): Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie

Sacom (2018): Apple Watch Series 4 Still Failed to Protect Teenage Student Workers

04 Nutzung

Der größte Anteil des Energie- und Ressourcenverbrauchs eines Mobiltelefons fällt während der Produktion an. Im Vergleich zu anderen elektrischen Geräten haben Mobiltelefone selbst bei intensiver Nutzung einen geringen Stromverbrauch. Deutlich höher ist dieser jedoch für die Infrastruktur, die zur Datenübertragung benötigt wird. Dabei ist wissenswert, dass die Datenübertragung über Mobilfunk wesentlich mehr Energie verbraucht als jene über einen WLAN-Anschluss.

In der Nutzungsphase kann der ökologische Fußabdruck vor allem durch eine möglichst langjährige Verwendung des Mobiltelefons minimiert werden. So ist bereits beim Einkauf auf austauschbare Akkus zu achten ebenso wie darauf, ob und zu welchem Umfang Reparierbarkeit und langjährige Software-Updates garantiert sind. Beim Kauf gilt es, auf die Lieferung von Ladegeräten, Headsets, Adaptern etc. zu verzichten, da diese häufig schon vorhanden sind. Ein Indikator für die gesundheitlichen Wirkungen der elektromagnetischen Strahlung von Mobiltelefon ist der SAR-Wert, der möglichst kleiner als 0,6W/kg liegen sollte.

Während der Nutzung entstehen zahlreiche ökologische und soziale negative Folgen, zu denen unter anderem folgende gehören:

Ökologische Risiken

  • Energieverbrauch insbesondere durch Infrastruktur zur Datenübertragung
  • Ressourcenverbrauch insbesondere durch unnötiges Verpackungsmaterial sowie das unaufgeforderte Verschicken von Ladegeräten, Adaptern etc.
  • Verschwendung von Ressourcen durch vorzeitigen Verkauf von Mobiltelefonen, statt diese zu reparieren

Soziale Risiken

  • Mögliche gesundheitliche Schäden durch elektromagnetische Strahlung bei zu hohem SAR-Wert
  • Datenschutz


Weiterführende Literatur:

05 Entsorgung

Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten – also auch Mobiltelefonen – gehören zu den weltweit am schnellsten wachsenden Abfallströmen. Doch die Recyclingquoten sind äußerst gering. Große Mengen des europäischen Elektroschrotts werden beispielsweise in den westafrikanischen Staaten Ghana und Nigeria unter mangelnden ökologischen und sozialen Standards demontiert. Dabei verdeutlichen Begriffe wie „Urban Mining“ (dt.: ‚Bergbau in der Stadt‘) und „anthropogenes Lager“, welches Potential die Wiederverwertung insbesondere für die Rückgewinnung von Metallen hat. Bisher stehen vor allem ökonomisch motivierte Ansätze des Recyclings im Vordergrund. Stattdessen muss im Sinne der Kreislaufwirtschaft ein ganzheitlicher Ansatz entwickelt werden, der Umwelt- und Sozialaspekte vorrangig berücksichtigt. Hierfür ist das „Design vor Recycling“ von enormer Relevanz: Bei der Produktentwicklung müssen die spätere Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit priorisiert werden.

Zugleich gilt es, die Sammlungsquoten zu erhöhen. Aufklärungs- und Informationsarbeit, die auch im Rahmen der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ gefördert werden können, spielen hier eine wichtige Rolle. Zusätzlich zu Wertstoff- und Recyclinghöfen, die Kommunen unterhalten müssen, können sie auch an vielen Orten zugängliche „Elektrotonnen“ oder „Schadstoffmobile“ einrichten und darüber hinaus offene Reparaturtische sowie unabhängige Reparaturwerkstätten fördern.

Ökologische Risiken

  • Emissionen und Kontaminationen bei der Müllverbrennung und Deponierung von nicht recycelbaren Teilen und Verpackungsmaterial
  • Umweltgefahren durch unsachgemäße Entsorgung von Blei aus Batterien
  • Dauerhafter Verlust von Kunststoffen und Metallen, darunter Seltene Erden, durch unzulängliches Recycling
  • Hoher Energiebedarf des Recyclingverfahrens
  • Export von entsorgten Mobiltelefonen von Europa auf den afrikanischen Kontinent; dort gelangen etwa Gifte in die Umwelt bei der Anzündung von Geräten, um die Metalle herauszulösen
  • unsachgemäße Entsorgung von Produkten mit Quecksilber, Kadmium, Chrom, Fluorkohlenwasserstoffe und anderen gesundheitsgefährdenden Giften verschmutzt Luft, Boden und Wasser

Soziale Risiken

  • Kinderarbeit bei der Demontage von Altgeräten in afrikanischen Staaten
  • Gesundheitliche Risiken durch Abbrennen von Kabelummantelungen und Plastikverkleidungen, wobei krebserregende Gifte freigesetzt und eingeatmet werden

Weiterführende Literatur:

06 Transport

Eisenerzgewinnung in Brasilien, Bauxitabbau in Guinea, Kupfer aus Peru; Produktion in Ungarn, Mexiko und China. So oder so ähnlich können Lieferketten der Mobiltelefonproduktion aussehen. Von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum fertigen Endprodukt werden meist lange Transportwege per Schiff, Lkw und Zug zurücklegt. Treibstoffverbrauch und Abgase sorgen für Umwelt- und Klimabelastungen, die auch für die Gesundheit des Menschen schädlich sind. Für den Transport mit schweren Nutzfahrzeugen wie Lkws gilt die Abgasnorm Euro VI, die von Beschaffungsstellen für den Transport verlangt werden sollte.